Add-e gegen Go-e Onwheel: Schlaue Nachrüst-Lösungen für ein E-Bike

Add-e fällt selbst montiert kaum auf. In der Trinkflasche steckt der Lithium-Akku.

Add-e fällt selbst montiert kaum auf. In der Trinkflasche steckt der Lithium-Akku.

Ursprünglich sollte hier in Kurzform stehen, dass ich über das Konzept eines Nachrüst-Motors für Fahrräder gestolpert worden bin, der sehr leicht ist, unkompliziert zu installieren ist und dabei noch recht günstig sein wird. Dann habe ich, wie sich das gehört, ein bisschen recherchiert. Und ein extrem ähnliches Modell gefunden. Jetzt brauche ich etwas mehr Platz.

Das technische Konzept der beiden Produkte ist identisch. Ein Motor unter dem Tretlager treibt über eine raue Rolle die Lauffläche des Hinterreifens an. Der größte Vorteil dabei: Die Systeme sind extrem leicht und machen ein normales Fahrrad zu einem Teil-E-Bike. Für manche könnte auch interessant sein, dass mit einem Antrieb mehrere Fahrräder genutzt werden können – nur die Aufnahmeteile braucht man mehrfach.

Das zuerst entdeckte System heißt Go-E Onwheel. Verblüfft war ich, als ich kurz darauf Add-e entdeckt habe. Optisch ist das System fast gleich, nur Details wie der schwächere Akku unterscheiden die Produkte. Beide Hersteller habe ich angeschrieben, nur Add-e hat bisher geantwortet. Und berichtet, dass das Unternehmen dran sei, sich mit dem Konkurrenten zu beschäftigen, der das eigene Konzept nachmache. Dass Add-e älter ist, wird bei einer kleinen Online-Recherche schnell belegt. Zudem ist Add-e nach drei Jahren Entwicklung und Tests schon verfügbar, Go-e will erst Anfang 2016 soweit sein. Kurios: Beide haben sich den Start durch Crowdfunding finanziert.

Da beide Unternehmen in Österreich sitzen und ein Test vor Ort nicht ohne Weiteres möglich ist, muss ich mich theoretisch mit dem Konzept beschäftigen. Es hat etliche Vorteile, aber auch theoretische Nachteile, die sich nur in der Praxis widerlegen lassen können.

Wie das mit der Reibrolle beim Nachrüsten funktioniert

Wer aus seinem normalen Drahtesel ein Pedelec machen will, sollte mindestens ein hochwertiges Fahrrad haben, das mit den Zusatzbelastungen des E-Antriebes klar kommt. Genug Kleingeld war bisher auch nötig, weil vernünftige Nachrüstsysteme wie etwa von Bionx allein wegen ihres Preises in Frage stellen, ob sich eine Nachrüstung eines gebrauchten Fahrrades überhaupt lohnt im Vergleich zu einem Neukauf.

Von ganz billigen Sets sollte man die Finger lassen – die Erfahrungsberichte im Netz sprechen für sich. Ein weiterer Haken: Aus rechtlichen Gründen übernimmt kein Fahrradfachmann den Einbau – sonst geht die rechtliche Haftung auf ihn über. Motor & Co. selbst einzubauen ist bei komplexen Systemen nicht trivial.

Add-e und Go-e liegen preislich deutlich unter den guten Nachrüstlösungen und sind zugleich sehr einfach zu montieren. Und sie lassen sich bei Bedarf abnehmen. Wer also hin und wieder gerne Fahrrad ohne Hilfe fährt und sich nicht nur noch vom E-Bike durch die Gegend schieben lassen will, kann dafür das offenbar perfekte Produkt bekommen.

Bei der Montage an der Ständeraufnahme unterschieden sich die Systeme quasi nicht. Ist keiner vorhanden, was durchaus häufig der Fall sein dürfte, hat Add-e das komplexere System, das an den Tretlagern ordentlichen Halt finden dürfte. Vergleicht man die Anleitungen, ist die Installation bei Add-e etwas aufwendiger das muss aber nur ein Mal erledigt werden. Zudem spricht für die Tretlager-Lösung, dass sie stabiler sein dürfte. Gerade bei hochwertigeren Rennrädern oder anderen Leichtgewichten, dürfte man aus Sicht von Add-e selbst den Anbau besser bewerkstelligt bekommen.

Da ich immer wieder hadere, ob ein E-Bike für mich überhaupt das Richtige ist, wäre das eine gute Lösung. Damit könnte ich ohne spürbares Zusatzgewicht weiter selbst aktiv fahren, wenn ich auf der Ebene unterwegs bin, und trotzdem nicht verschwitzt beim Termin ankommen, wenn ich eine Steigung auf dem Weg. Mein gutes Trekking-Bike könnte ich behalten.

Was die Systeme erst noch beweisen müssen

Die Einschränkungen von Add-e und Go-e sind überschaubar: Auf grobstolligen Reifen kann die Reibfläche des Motors nicht richtig greifen, weshalb einige Mountain-Biker eher auf die Brachial-Nachrüstlösung von Ego Kits zurückgreifen. Das System funktioniert auch bei vollgefederten Rädern, was das Add-e und Go-e  auch nicht vertragen, wenn sich der Abstand von Motor zu Hinterrad verändert.

Mehr braucht es nicht, um ein normales Fahrrad in ein Pedelec zu verwandeln - das Zubehör von Add-e.

Mehr braucht es nicht, um ein normales Fahrrad in ein Pedelec zu verwandeln – das Zubehör von Add-e.

Natürlich kann heute noch niemand sagen, wie die Bohrung für den Mittelständer die Dauerbelastung eines 800-Watt-Motors verkraftet. Wenn der Motorarm nicht in Betrieb ist, klappt er weg. Wie langlebig der Mechanismus bei häufigem Gebrauch in der Stadt ist, kann auch erst die Zeit zeigen. Ohne einen Alltagstest ist zudem noch unklar, was in Sachen Reichweite wirklich drin ist. Add-e verspricht mit 130 Wh ungefähr 50 Kilometer Reichweite, Go-e kommt mit 200 Wh auf angeblich bis zu 60 Kilometer, wenn eine mittlere Unterstützung gewählt ist. Beides scheint im Vergleich zu Vollsystemen unrealistisch. Dort erreicht man im Alltag selbst mit 400-Wh-Akkus solche Werte nur schwer. Der Wirkungsgrad soll nach Auskunft von Add-e bei ungefähr 80 Prozent liegen. Der könnte sich massiv verschlechtern, wenn die Lauffläche durch Nässe nicht mehr genug Grip bietet. Das gilt übrigens auch, wenn die Reibrolle zu glatt wird. Add-e verspricht, die Reibfläche kostenfrei auszutauschen. Das sei erst nach 10.000 bis 12.000 Kilometer notwendig, heißt es bei Add-e. Das junge Unternehmen hat jetzt einen 26-Jährigen Griechen gesponsert, der die Welt umrunden will. Der kann nach seiner Rückkehr sicher berichten, wie lange die Reibfläche hielt.

Ein Vorteil der Systems trotz der Reibung: Da der Motor direkt auf den Reifen wirkt, gibt es keinen zusätzlichen Verschleiß am Antriebssatz. Wenn manche E-Biker mit Mittelmotor alle 2000 Kilometer eine neue Fahrradkette brauchen, dürfte bei den Reibrollenantrieben eine kürzere Laufzeit des Reifens zu verkraften sein. Es wäre realistisch, dass die Reibung am Reifen im Betrieb doppelt so hoch ist, weil ein weiterer, straßenähnlicher Abnutzungspunkt am Reifen arbeitet. Doch das System wird nicht dauerhaft im Einsatz sein, was diese Vermutung relativiert. Günstiger als ein regelmäßiger Ersatz des ganzen Antriebssatzes dürfte das jedenfalls sein. Hier trumpfen nur die Hinterradantriebe auf, die außer den stärkeren Beschleunigungskräften keinen zusätzlichen Verschleiß mit sich bringen.

Erinnerungen an die Anfänge der E-Bike-Zeit

An einer Stelle machen Go-e und Add-e einen Schritt in die Vergangenheit: Das E-Bike erkennt offensichtlich nur, ob getreten wird oder nicht. Wie stark der Fahrer in die Pedale tritt, wird nicht erkannt. Das bedeutet, dass der Schub immer konstant ist. Damit gibt es keinen extra Schub beim kräftigen Anfahren oder weniger Druck, wenn man langsam um ein Hindernis zirkelt. Wie gut sich das im Alltag schlägt, bleibt ohne Test leider auch offen. In einem Test eines E-Bikes im Jahr 2008 hatte mich diese Technik nicht überzeugt.

Sieht Add-e sehr ähnlich: Der Go-e-Antrieb

Sieht Add-e sehr ähnlich: Der Go-e-Antrieb

Auch wenn das auf öffentlichen Straßen nichts bringt: Jenseits der üblichen Begrenzung auf 25 Stundenkilometer lässt sich das Go-e Onwheel auf 45 Stundenkilometer öffnen. Add-e bietet eine eigene 45er Version mit 600 Watt. Damit darf man dann aber nie auf öffentliche Straße. Deftige 800 Watt Leistung sollen beim Go-e für mehr als ordentlichen Vortrieb sorgen – konnten aber bei ersten Test nicht erreicht werden. Wer mit dem Gedanken spielt, das Rad ungedrosselt auf öffentlichen Straßen zu nutzen, sollte sich klar sein, welche Haftungsrisiken er damit eingeht.

Obwohl das Konzept identisch ist, unterscheiden sich die Preise. Add-e kostet 890 Euro, Go-e ruft zumindest in der Vorbestellung 550 Euro auf – trotz stärkerem Akku. Vergleicht man die feinen Unterschiede, trumpft Add-e mit einem besonders geringen Gewicht (mit Akku nur zwei Kilogramm) auf. Go-e lockt mit größerem und abschließbarem Akku. So lange Add-e noch das Original ist und Go-e nicht verfügbar ist, stellt sich die Frage nach der Alternative nicht. Da Add-e gerade dabei ist, im deutschsprachigen Raum für das kommende Jahr ein Händlernetz aufzubauen, lässt sich das System vielleicht auch bald testen. Falls das klappt, ist Ökoalltag dabei.

Fotos: Hersteller

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