Kreuzschmerzen beim Klimaschonen: Energiesparende Konzepte für die Fahrt zur Arbeit im Test

Mit dem Elektro-Dreirad Twike geht’s flott durch den Kreisverkehr am Eugen-Bolz-Platz in Rottenburg – und alle gucken, was da leise rollt. Bilder: Mozer

Mit dem Elektro-Dreirad Twike geht’s flott durch den Kreisverkehr am Eugen-Bolz-Platz in Rottenburg – und alle gucken, was da leise rollt. Bilder: Mozer

Welches energiesparende Fahrzeug taugt für lange Arbeitswege? Zwei Wochen lang waren wir mit Fahrrad, Dreirad und zwei Rollern zwischen Dettenhausen und Rottenburg unterwegs. Drei der vier Fahrzeuge treiben Elektromotoren an, das vierte geht sparsam mit Benzin um.

Mitten im Wald zwischen Lustnau und Bebenhausen war Schluss. Der Akku des Elektrofahrrads war leer – vor der schlimmen Steigung. Die Batterie hatte nicht lange genug an der Steckdose gehangen, womit die Hoffnung dahin war, unverschwitzt nach Hause zu kommen. Denn ohne Motorhilfe war es schweißtreibend, das gut 27 Kilogramm schwere Damenrad zu fahren – trotz der Temperatur von zehn Grad. Erste Lektion: Wer mit Strom fährt, sollte einen großzügigen Puffer einrechnen. Immerhin erreicht man mit dem Rad auch ohne Akku-Hilfe sein Ziel.

Zwei Wochen lang haben wir getestet, wie viel man auf sich nehmen muss, wenn man möglichst energiesparend zur Arbeit kommen will. Ab zehn Kilometern Arbeitsweg liegt der Anteil der Pkw-Pendler bei über 80 Prozent. Das muss auch anders gehen, haben wir uns gesagt und im Kreis Tübingen nach einer möglichst sparsamen Auto-Alternative für Pendler gesucht. 60 Kilometer Hin- und Rückfahrt galt es für die vier Gefährte zwischen Dettenhausen und Rottenburg zu meistern. Dabei sollten die Fahrzeuge schneller sein, als die auf dieser Strecke zeitraubende Verbindung mit Bus und Bahn. Die einzige weitere Bedingung: Das Gefährt muss es in der Region derzeit zu kaufen geben.

Dieses gefahrene Elektrorad (im Bild am Ziel in Rottenburg) ist nicht gerade sportlich, hat aber gezeigt, dass man mit einem Fahrrad mit Elektromotor so manche Autofahrt ersetzen kann.

Dieses gefahrene Elektrorad (im Bild am Ziel in Rottenburg) ist nicht gerade sportlich, hat aber gezeigt, dass man mit einem Fahrrad mit Elektromotor so manche Autofahrt ersetzen kann.

Am Tag nach der Schlappe des Energiespeichers war er randvoll geladen, damit schaffte das sogenannte Pedelec die 27 naturnahen Kilometer locker. Die Zeitvorgabe allerdings schaffte es gerade so: Eine Stunde und 15 Minuten zeigte die Stoppuhr nach der Tour an – Gleichstand mit Bus, Wartezeit und Bahn. Bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern speist die Batterie den Elektromotor. Bergauf geht es ohne große Anstrengung mit 23 M Stundenkilometern – das zaubert ein Grinsen ins Radlergesicht. Auf der Ebene ist man mit Muskelkraft meist schneller, dann gibt es keine Hilfe vom Motor. Erst wenn die Geschwindigkeit wieder unter 25 Stundenkilometer fällt, weht der eingebaute Rückenwind. Auf der Ebene fährt sich das Pedelec bei höheren Geschwindigkeiten wie ein normales Fahrrad – nur ist es schwerer. Bis ich Rottenburg erreiche, ist die Fleece-Jacke trotz Kälte in die Satteltasche gewandert und ich fange an zu schwitzen.

Wer bei einer Akkuschlappe ohne Motor flott vorankommen will, sollte sich für ein sportliches Modell entscheiden. Dass dagegen in den Läden vor allem Räder zum gemütlichen Pedalieren stehen, liege an der Hauptkundengruppe, sagt die Rottenburger Fahrradhändlerin Petra Zebisch. Und die bestehe nunmal aus „älteren Damen und Herren“. Die 30 Kilometer waren zu viel für das Elektrorad. Nicht wegen der Reichweite oder des Komforts, sondern weil man zu lange unterwegs ist. Auch auf kürzeren Strecken ist das E-Rad keine Alternative zum Auto, aber für so manche Autofahrt.

Bei 45 Stundenkilometern Spitze bleibt Zeit für einen Blick ins Grüne – oder zum Fotografen.

Bei 45 Stundenkilometern Spitze bleibt Zeit für einen Blick ins Grüne – oder zum Fotografen.

Ein Elektroroller für 2400 Euro ist der nächste Proband. Mit fast unhörbarem Motor und 45 Stundenkilometern über eine verlassene Landstraße zu gleiten, entspannt – aber nur, bis von hinten etwas heranbraust. Der EVT 4000e ist auf der Landstraße riskant zu fahren. Ungeduldige Autofahrer drücken sich mit wenig Seitenabstand an einem vorbei, dauernd hat man die Rußfahnen von beschleunigenden Dieselfahrzeugen in der Nase. Auf schlechten Landstraßen holpert das Zweirad hart über Fahrbahnschäden. Mit Fahrer wiegt der kleine Roller etwa 200 Kilogramm – zu viel für die Federung.

Beim Abkürzen von Bebenhausen Richtung Waldhäuser Ost kommt der Elektroroller an seine Grenzen. Piepsend macht er klar, dass die Steigung den Motor überfordert. Kurz vom Gas gehen und gleich wieder beschleunigen reicht, um den steilen Berg mit mindestens 20 Stundenkilometern zu erklimmen. Nach 45 Minuten ist der Roller in Rottenburg. Die Fahrt schien endlos, dauerte aber nur eine Viertelstunde länger als mit dem Auto. Mit etwa 60 Kilometern kann sich auch die Reichweite sehen lassen. Marcel Preißel von der Rubow Service GmbH, die solche Roller verkauft, gibt zu bedenken, dass Stromfahrzeuge nur Sinn machen, „wenn man die Möglichkeit hat, das Ding abends an die Steckdose zu hängen.“ Den Akku mit in die Wohnung nehmen geht nämlich nur beim E-Rad.

Der Auspuff täuscht nicht, diese Honda verbrennt Benzin – davon aber nur etwa zwei Liter auf 100 Kilometer.

Der Auspuff täuscht nicht, diese Honda verbrennt Benzin – davon aber nur etwa zwei Liter auf 100 Kilometer.

Dass es auch mit Benzin sparsam geht, beweist ein Roller von Honda. Bei einem gemessenen Verbrauch von gut zwei Litern auf hundert Kilometer lässt sich ein CO2-Ausstoß von unter 50 Gramm errechnen. Damit unterbietet die Innova den CO2-Ausstoß von Boris Palmers Smart um die Hälfte – wobei die Angaben zum Smart laut Besitzer nur auf dem Papier stimmen. Der Roller mit den großen Rädern fährt sich so einfach wie ein Fahrrad und federt auf holprigen Passagen recht bandscheibenfreundlich. Technisch unkompliziert soll er auch sein, berichten Händler. „Wir sehen die Kunden meist nur zur Wartung“, sagt Volker Thumm, Geschäftsführer im Verkauf bei Speer Racing in Reutlingen.

„Darf ich das auch fahren?“, ist die meistgestellte Frage von Kollegen und Bekannten. Das Zweirad mit 125 Kubikzentimeter- Motor darf lenken, wer seinen Autoführerschein vor 1980 gemacht hat – oder einen Motorradschein besitzt. Den Elektroroller dagegen darf jeder mit einem Autoführerschein fahren. Fahrer über 1,80 Meter sitzen auf beiden Rollern mit krummem Rücken – das macht auf Dauer Kreuzschmerzen. Klimaschutz ist offenbar nichts für Große.

Im Berufsverkehr schwimmt die neun PS starke Honda zwischen den Autos mit und braucht etwa eine halbe Stunde für die Fahrt. Damit hat sie das schnellste Konzept, aber mit den zwei Litern Sprit auch das energiefressendste. Der Benzinroller ist – abgesehen von Schneetagen – eine Alternative für jeden Fernpendler, der bereit ist, eine Lage Schutzkleidung drüber zu ziehen. Allerdings müssen dann zum Fahrzeugpreis von etwa 2100 Euro einige hundert Euro für das Zubehör eingerechnet werden.

Eingemummelt in wasserdichte Motorradkleidung kommen Zweiradfahrer auch bei Regen trocken und ohne kalte Finger ans Ziel. Für die Roller ist wasserdichte und warme Kleidung innerhalb von einer Minute übergezogen – das ist reine Gewohnheitssache. Unter schlechtem Wetter leidet man auf dem Fahrrad mehr: In einer Regenjacke wird’s beim Treten schneller warm als einem lieb ist.

Mit dem Elektro-Dreirad Twike geht’s flott durch den Kreisverkehr am Eugen-Bolz-Platz in Rottenburg – und alle gucken, was da leise rollt. Bilder: Mozer

Mit dem Elektro-Dreirad Twike geht’s flott durch den Kreisverkehr am Eugen-Bolz-Platz in Rottenburg – und alle gucken, was da leise rollt. Bilder: Mozer

Probleme mit dem Wetter kennt das ungewöhnliche Gefährt von Thomas Hartmann aus Oberndorf nicht, er bietet mit dem Twike eines der wenigen Elektrogefährte an, das ein Dach hat. Das Dreirad hat aber einen großen Nachteil: Unter 23 000 Euro mit einer kleinen Batterie geht gar nichts. Sollen starke Akkus mit einer Reichweite von etwa 100 Kilometern rein, steigt der Preis auf über 30 000 Euro. Wohl deshalb sind weltweit bislang noch keine tausend Stück des handgefertigten Leichtgewichts verkauft worden. Etwa einmal im Jahr verkauft Hartmann in Oberndorf eines der Dreiräder. Damit zu fahren koste etwa so viel wie bei einem Kleinwagen, rechnet er vor. Hartmann selbst dürfte wohl zu den engagiertesten Nutzern gehören. 8000 Kilometer fährt er damit jährlich – bei jedem Wetter.

Obwohl Thomas Hartmann „nicht schonend“ mit den Akkus umgegangen ist, sind nach drei Jahren noch Reichweiten um die 70 Kilometer drin. Inzwischen gibt es die Akkus auch als Lithium-Ionen-Zellen, die man nicht mehr ganz voll laden muss. Nimmt man Ökostrom, habe das Twike umgerechnet einen Verbrauch von etwa 0,8 Litern auf 100 Kilometer, so Hartmann. „Woher der Strom kommt, ist die Gretchen- und Kernfrage“, sagt er.

Das Twike bringt etwa 250 Kilogramm auf die Waage, worunter die Stabilität der Karosserie leidet. 2002 kollidierte in Reutlingen ein Twike- Fahrer mit einem Auto. Während der Fahrer des Elektrodreirads schwer verletzt wurde, blieb die Fahrerin des Kleinwagens unverletzt. Auch Hartmann sieht bei der Sicherheit noch „Verbesserungspotenzial“. Er betont, dass man auf der Straße für die anderen mitdenken müsse.

Man liegt fast im Twike, hat aber einen gemütlichen Sitz. Die Lenkung funktioniert wie das Ruder eines Schiffes – nur seitenrichtig. Bei Geschwindigkeiten über 70 Stundenkilometer ist allerdings viel Übung gefragt. Nachdem ich in der Stadt nach wenigen Minuten Spaß beim Fahren gefunden hatte, war er auf der Landstraße schnell wieder weg. Die Lenkung ist dort zu direkt. Wer die Höchstgeschwindigkeit des Twikes von 85 Stundenkilometern nutzt, gerät bei Seitenwind ins Wackeln – schnelle Laster auf der Gegenspur reichen schon. Fährt man lebensbejahend langsam, fühlen sich andererseits Autofahrer und Motorradfahrer zu recht riskanten Überholmanövern hingerissen – Lastwagenfahrer scheinen etwas geduldiger. Es gehört neben genügend Geld eine Menge Idealismus dazu, ein Twike zu kaufen. Vom gefahrenen Quartett ist es aber das einzige, das auf Kurzstrecken ein Auto ersetzen kann.

Vielen Dank an den TAGBLATT-Fotografen Rainer Mozer für die kostenlose Freigabe der Bilder für dieses Blog.

Hier gibt es die ganze Tagblatt-Reportage als PDF-Datei im Original-Layout:
Kreuzschmerzen beim Klimaschonen

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