Warum Leichtkrafträder mit Elektromotor für Städte ein Problem sind

Es war mal wieder ein Graus: Obwohl ich mich brav an alle Verkehrsregeln gehalten hatte, bin ich auf einem Kleinkraftrad auf einer fünf Kilometer langen, mehrspurigen Strecke in Stuttgart mehrmals bedrängt worden. Es war ein kleiner Elektroroller, ein Elmoto, auf dem ich saß. Die Mischung aus Motorrad, Roller und Fahrrad fährt 45 bis fast 50 Stundenkilometer. Mehr darf es auch rechtlich nicht sein, sonst wäre es kein Kleinkraftrad mehr. Das reicht nicht, ist sogar gefährlich. Schuld sind diejenigen, die Kleinkrafträder bedrängen. Aber die Zulassungsregeln sind realitätsfern.

Die Beschränkung von Kleinkrafträdern auf 45 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit bedeutet, dass man auf innerstädtischen Straßen, wo 50 oder 60 erlaubt sind, der letzte in der Nahrungskette des Verkehrs ist – zumindest wenn Fahrräder dort nicht fahren dürfen. Etliche Autofahrer drängeln, hupen, schneiden die Fahrbahn. Ein Motorradfahrer überholt mal eben auf der gleichen Spur. Warum? Weil es vielen nicht schnell genug voran geht. Wenn 50 drin sind, fahren viele etwas schneller. Aber unter 50? Das geht für die meisten gar nicht. Ein paar Stundenkilometer machen den Unterschied. Das kann man für falsch halten, was aber auf der dreispurigen B14 in Stuttgart kein Stück hilft.

Wenn ein Leichtkraftrad mit 55 bis 60 Stundenkilometer (reale Geschwindigkeit) mitschwimmen könnte, gäbe es weniger Stress. Nicht jedes Hupen und jeder Stinkefinger mag gleich gefährlich sein, aber es bleibt ein ungutes Gefühl. Und die Zulassungsregeln torpedieren gerade in den Städten die Chance, dass zweirädrige Elektromobilität jenseits der Pedelecs Klima und Luftqualität helfen. Wer sich bedrängt fühlt, wird kaum umsteigen. Für Stuttgart sagt Fritz Kuhn in einem Interview mit der Gemeinschaftsredaktion von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, dass es „patriotische Pflicht“ sei, zumindest beim Zweitauto auf ein Elektroauto zu setzen. Bei einem qualitativ empfehlenswerten Roller zwischen 2000 und 3000 Euro, von mir aus auch als zusätzliches Gefährt, ist die Hürde für diese Pflicht viel geringer. Und Parkraum braucht es auch nicht so viel.

Aber was hat die Beschränkung denn nun speziell mit der Elektromobilität zu tun? Schnelle Roller, deren Höchstgeschwindigkeit ähnlich den Leichtkrafträdern (meist mit 125 Kubikzentimetern Hubraum und maximal 15 Pferdestärken) bei um die 100 Stundenkilometer liegt, brauchen einen deutlich größeren Akku. Höhere Geschwindigkeiten bringen einen höheren Stromverbrauch, was mehr Gewicht für die Akkus bedeutet, was einen höheren Stromverbrauch bringt und am Ende zu recht schweren und teuren Gefährten führt. Ein BMW-Modell, das mit den größeren Rollern mithalten kann, kostet über knapp 14.000 Euro. Während bei den Benzinrollern sowohl die 50er, als auch die 125er breit verfügbar sind, wird es bei den schnelleren E-Rollern sehr viel dünner.

Das hat einen weiteren Grund: Fahren kann die 125er nicht fast jeder. Auf ein Leichtkraftrad darf sich mit dem Autoführerschein nur setzen, wer ihn vor 1980 gemacht hat. Die Zahl dieser Menschen sinkt. Und damit wird der Markt kleiner. Das Kleinkraftrad ist auch heute noch im Autoführerschein mit drin. Für den städtischen Verkehr ist aber auch keine Geschwindigkeit von 100+ notwendig. Knapp 60 würden genügen. Die Zahl der Anbieter wächst. Moderne, bezahlbare Konzepte wie von Trinity oder Unu kommen voran. Bei Trinity gibt’s auch schnellere Modelle. Gar nicht so viel teurer. Der Anbieter ist damit aber allen auf weiter Flur. Und die Zahl der möglichen Kunden sinkt.

Natürlich gehört Übung dazu, ein Zweirad sicher zu bewegen. Am besten wäre es, wenn es dafür zumindest eine grobe Einführung beim Erwerben des Führerscheins gibt. Doch die Sicherheit scheint bei den Kleinkrafträdern keine entscheidende Rolle zu spielen. Denn zur Hauptuntersuchung müssen sie nicht. Deshalb wäre es sinnvoll, das Tempolimit hochzuschrauben, dafür alle zwei Jahre wenigstens Bremsen, Reifen und Licht gecheckt zu lassen. 45 sind immer noch zu schnell, um die technische Sicherheit außer Acht zu lassen. Wenn Schrottexemplare herumfahren können, muss man bei der Geschwindigkeit nicht zu restriktiv sein. Beides zusammen ist nicht ungefährlich.

P.S.: Als Fahrradfahrer hat man’s trotzdem schwerer. Am Abend wollte mich ein älteres Ehepaar mit seiner Mercedes B-Klasse (silber-metallic natürlich) auf dem Radweg mit Schwung vom Zweirad holen. Da war der Vormittag entspannt dagegen…

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