Kurztest Evinci Pike I: Der Geländewagen unter den E-Bikes

Kein Motorrad, kein Fahrrad - das Evinci Pike I braucht eine eigene Kategorie. Foto: eVinci Mobility GmbH

Kein Motorrad, kein Fahrrad – das Evinci Pike I braucht eine eigene Kategorie. Foto: eVinci Mobility
GmbH

Zählt das noch als E-Bike oder ist das schon ein Motorrad? Irgendwie ist es beides, das Pike I von Evinci aus Oberhaching. Es sei ein „SUV-Bike“ erklärt Evinci-Chef Klaus Rohde am Rande der i-Mobility-Messe in Stuttgart. Genau genommen ein „SUV-E-Bike“, denn es hat satte 1000 Watt Leistung. Und ein bisschen SUV ist es schon, im positiven Sinne: Das Pike I hat ein anpassbares Fahrverhalten durch eine vom Lenker aus verstellbare, fein ansprechende Federung von Magura. Und mit den großen Reifen muss man vor keinem Matschweg halten machen. Aber übergewichtig ist es mit dieser Ausstattung auch. Gut 30 Kilogramm sind zwar angesichts der handfesten Optik überraschend wenig, aber für ein E-Bike ist das schwer. Ohne Motorunterstützung radelt man nur in Notfällen freiwillig. Für alle mit Reichweitenangst ist wichtig: Es geht auch ohne Strom.

Dabei ist das Pike I von Evinci eigentlich etwas anderes als ein E-Bike. Es ist ein Hybrid aus Motorrad und E-Bike, das Pendler in der Stadt schnell voranbringen soll und dabei jede Angst vorm Liegenbleiben nehmen kann. Es verbindet ein paar Vorteile eines Motorrades (Beschleunigung, Reichweite und Fahrverhalten) mit den Vorteilen eines E-Bikes (geringes Gewicht, Wendigkeit und kein Liegenbleiben ohne Strom). In unter fünf Sekunden geht es auf 45 Stundenkilometer. Äußerlich erinnert es ein bisschen an das Elmoto, bei dem man allerdings nicht mittreten kann.

Nur einen Nachteil bringt es auch gleich mit aus der Motorradwelt: Es ist zulassungspflichtig und damit nicht auf Radwegen oder in Parks gestattet. Ebenso darf man nicht ohne Helm damit fahren. Das Pike I kann in zwei Modi gefahren werden: Entweder man lässt sich im Roller-Stil rein elektrisch durch die Stadt chauffieren, oder man pedaliert und wird mehr als kräftig unterstützt. Mit 1000 Watt leistet das Pike I so viel wie vier typische E-Bike-Motoren. Und die haben zum Teil mit ähnlichen Gewichtskalibern zu kämpfen.

Kräftige 1000 Watt leistet der Elektromotor. Foto: eVinci Mobility GmbH

Kräftige 1000 Watt leistet der Elektromotor. Foto: eVinci Mobility
GmbH

Etliche der Teile am Pike I sind ganz normale Fahrradteile. Der Lenker, im Wesentlichen auch die Bremsanlage (Verzögerung: 0,5 G) oder auch die hochwertige Gabel von Magura. Vieles ist aber speziell gefertigt. Das Kettenblatt liegt zum Beispiel auf der linken Seite des Pike I – deshalb gab es keine passende Nabe. Maßanfertigungen, einige aus Carbon sind natürlich alles andere als billig. Alleine die Magura-Federung (TS8 120 mm vorne und TS R 200 mm hinten) würde im normalen Handel einen vierstelligen Betrag kosten. Carbon-Teile sparen Gewicht, belasten aber den Geldbeutel. Das summiert sich am Ende auf 8600 bis 9600 Euro – je nachdem wie viel Carbon und Ausstattung das „Motorfahrrad“ am Ende hat.

Für Großstadt-Pendler ohne Garage bietet das Pike eine herausnehmbare Batterie, die sich auch noch ohne größere Anstrengungen in den vierten Stock tragen lässt. Das haben Elmoto oder andere Elektroroller nicht. Laternen-Parker hatten bisher bei der Elektromobilität wenig zu Lachen. Autos scheitern im Zweifel an den abends bereits belegten Ladesäulen und Roller-Batterien wiegen teilweise so viel, dass die Bandscheiben beim Akku-Transport ächzen.

Die Reichweite liegt, Pedalieren vorausgesetzt, im Alltag bei ungefähr 100 Kilometern. Das ist mehr als in Ordnung. Aber dafür muss man auch mittreten. Und die Versuchung des Pike I ist der rein elektrische Rollerbetrieb. Dabei schmilzt dann die Reichweite schnell dahin. Wenn am Ende auch noch gut 30 Kilometer Reichweite ohne großes Pedalieren stehen, ist das vertretbar.

Das Fahrverhalten des Pike I ist sehr gewöhnungsbedürftig. Nicht nur Daumengas fordert eine andere Koordination, auch das Anfahren ist nicht einfach. Nur Treten ist der intuitivste Weg, die 33 Kilogramm in Schwung zu bringen. Es klappt zwar auch elektrisch von Anfang an, dürfte aber erst nach einer längeren Eingewöhnungsphase in Fleisch und Blut übergehen. Bemerkenswert bei einer kurzen Probefahrt war, wie präzise sich das Pike I auch bei geringen Geschwindigkeiten dirigieren lässt. So lassen sich in der Stadt auch die zahlreichen Hindernisse sichern umzirkeln.

Und wie sieht die Zielgruppe aus? Manche der künftigen Besitzer wollen es nicht kaufen, sondern leasen. Denn dank Zulassungspflicht können Unternehmen das Pike I auch abschreibungsgünstig leasen und es entweder öffentlichkeitswirksam im eigenen Fuhrpark einsetzen oder es Mitarbeitern als Dienstwagen zur Verfügung stellen. Mit der klassischen Ein-Prozent-Ablöse kann es dann auch günstig privat genutzt werden.

An den letzten Details des Pike I wird noch gefeilt. Die LED-Leuchte ist gerade erst gegen einen wahren Flutlichtgenerator ausgetauscht worden, die Kabel am Lenker werden noch alltagstauglicher befestigt und das Schutzblech wird noch etwas breiter. Wenn die letzten Details verbessert sind, muss sich zeigen, ob der Markt so ein SUV-E-Bike in relevanter Zahl akzeptiert. Ob das beim Pike I gelingt, entscheiden die Kunden. Die größte Hürde dürfte dabei der Preis sein.

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