Wenn die AGBs mal helfen könnten – eine (lange) Dokumentation

Axel Hoffmann / pixelio.de

Axel Hoffmann / pixelio.de

Ich will hier eigentlich weniger meinen neuen Energielieferanten an den Pranger stellen, wie ich das im letzten Beitrag getan habe. Immerhin helfen mir die Stadtwerke Tübingen ja nun doch bei der deutlichen Reduzierung meiner CO2-Sünden.

Deshalb will ich der Gerechtigkeit wegen auch eine kleine Streitigkeit mit der EnBW dokumentieren – wenn man auch zum Lesen sehr viel Geduld braucht. Beim Karlsruher (Atom-)Energieriesen wollte mich ein Mitarbeiter einfach nicht in die CO2-freie Heizära ziehen lassen. Der Schriftwechsel ist hier in voller verfügbarer Länge dokumentiert.

Gekürzt wurde wiederkehrende Werbung in den Mails der EnBW und der Name des Mitarbeiters (ich nenne ihn Herr T.). Die erste Antwort der EnBW kam von einer anderen Mitarbeiterin (Frau X.). Mein erstes Schreiben, meine Kündigung, hatte ich über das Online-Formular aufgegeben. Deshalb ist sie hier nicht im Wortlaut zu lesen. Es stand etwa drin: Ich kündige. Zum 31. Dezember 2011. Sonderkündigungsrecht laut AGB.

Wer schummeln will: Das Ende lohnt sich wieder zu lesen.

Antwort auf meine Kündigung – 24. November 2011

Guten Tag Herr Hechler,

vielen Dank für Ihre Anfrage über den EnBW Online Kontakt. Ihre Anfrage konnten wir leider nicht sofort bearbeiten. Für die verzögerte Antwort entschuldigen wir uns bei Ihnen.

Mit unserem Schreiben vom 16.11.2011 informieren wir Sie nur über die Veränderungen der EEG- und KWK Umlage, die von der Bundesregierung zum 1.1.2012 neu festgelegt wurden. Laut 9.2. unserer AGB’s sind wir verpflichtet Ihnen die EEG und KWK Änderungen weiterzugeben.

An Ihrem Nettopreis pro Kilowattstunde ändert sich nichts. Aus diesem Grund haben Sie auch kein Sonderkündigungsrecht. Im August 2011 haben Sie bereits den Sondervertrag Aktiv Privat für Speicherheizung abgeschlossen. Dieser ist zum 1.11.2011 in Kraft getreten.

Freundliche Grüße nach Dettenhausen
Frau X.

Ich reklamiere und beziehe mich in einer Bekräftigung meiner Kündigung auf die Kündigungsrechte der Allgemeinen Bedingungen.

Antwort von Herr T. 24. November 2011

Guten Tag Herr Hechler,

Wir haben einfach eine Brutto-Preisgarantie durch eine (marktübliche) Netto-Preisgarantie ersetzt.

Die Kündigung Ihres Energielieferungsvertrags haben wir erhalten. Ihre Entscheidung bedauern wir, denn gerne würden wir Sie als Kunden behalten. Eine zusätzliche Kündigungsbestätigung für Ihre Unterlagen ist bereits auf dem Weg zu Ihnen.

Freundliche Grüße nach Dettenhausen
Herr T.

Die kam auch an. Aber eine Kündigungsbestätigung für irgendwann Ende 2012. Ich antworte Herr T. am 26. November 2011:

Sehr geehrter Herr T.,

dass Sie wie Sie schreiben „einfach“ die Brutto- durch eine Nettopreis-Garantie ersetzen, geht so nicht. Ich habe einer entsprechenden Änderung der Allgemeinen Bedingungen nicht zugestimmt – und dort wird im von mir zuletzt bestätigten Stand vom August 2011 nicht zwischen Brutto- und Nettopreis differenziert.

Da Sie hier in der Beweispflicht sind, gehe ich weiter davon aus, dass mein Vertrag zum 31. Dezember 2011 endet. Bitte bestätigen Sie mir das schriftlich. Sollten Sie nach dem Ende der Vertragslaufzeit weitere Abschläge abbuchen wollen, werde ich diese zurückgehen lassen. Mein neuer Stromliefervertrag wird am 1. Januar 2012 beginnen.

Schreiben Sie bitte in künftigen Antworten nicht mehr, was Sie „einfach“ gemacht haben, sondern nehmen Sie Bezug auf den zwischen Ihnen und mir geschlossenen Vertrag oder die Allgemeinen Bedingungen vom August 2011. Vielen Dank.
Freundliche Grüße

Am 29. November 2011 schreibt Herr T. wieder und hängt meinen Vertrag als Scan an. Es stimmt, was er über die hervorgehobene Klausel im Vertrag schreibt.

Guten Tag Herr Hechler,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Sie haben am 2. August 2011 die von Ihnen angesprochenen AGB akzeptiert (siehe Anhang, Vertragsabschluss EnBW AktivPrivat WärmeKompakt). Die Preisanpassungsklausel steht zur Hervorhebung sogar oben neben den Preisen, direkt im Vertragsformular anstatt in den gesonderten AGB.

Freundliche Grüße und einen angenehme Adventszeit nach Dettenhausen
Herr T.

Ebenfalls am 29. November 2011 erkläre ich ausführlich, was in den AGB steht. Und was das für meinen Vertrag bedeutet.

Sehr geehrter Herr T.,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Die Nettopreisgarantie, die im Vertrag erwähnt wird, wird von Ihrer Seite eingehalten. Das ist soweit für mich verständlich. Nicht Bestandteil der Netto-Preisgarantie sind die EEG- und KWK-Umlagen. Das ist soweit auch klar und Sie halten sich damit an Ihren Vertrag. Allerdings berechtigen die AGB trotzdem zu einer Kündigung mit Frist von einem Monat. De facto gewähren Sie dort eine Preisgarantie, von der nur Umsatz- und Stromsteuer ausgenommen sind, nicht aber die EEG und KWK-Umlagen. Warum, habe ich Ihnen schon im Wortlaut dargelegt:

In den mir vorliegenden und damit für meinen Vertrag gültigen Allgemeinen Bestimmungen heißt es unter Punkt 9.5

9.5 Kündigungsrecht im Falle einer Preisänderung:
Der Vertrag kann im Falle einer Änderung der Preise mit einer
Frist von einem Monat zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens
der Preisänderung gekündigt werden. Die Kündigung bedarf
der Textform.

Dass Sie nun davon reden, dass diese Kündigung nur bei einer Änderung des Nettopreises (der mich als Privatkunde bei der Begrifflichkeit „Preis“ in den AGB nicht interessiert, nicht interessieren muss (PAngV §1 Abs. 1) und z. B. auch auf meiner Jahresrechnung nicht ersichtlich ist) ist aus den Allgemeinen Bestimmungen nicht ersichtlich.

Im Gegenteil, darin wird die Zusammensetzung der „Preise“ folgendermaßen definiert:

9.1 Zusammensetzung der Preise
(1) Die EnBW beliefert Sie zu den im Vertragsformular
genannten Preisen. Die Preise enthalten insbesondere Beschaffungs-
und Vertriebskosten, das an den örtlichen Netzbetreiber
zu zahlende Netznutzungsentgelt, das Entgelt für
die Messung und den Messstellenbetrieb (für einen Zähler),
die Abrechnung, die Stromsteuer und die Umsatzsteuer in
der jeweils gesetzlich festgelegten Höhe, die Konzessionsabgaben
sowie die Umlagen aus dem Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG-Umlage) und dem Kraft-Wärme-
Kopplungs-Gesetz (KWK-Umlage).

Nach Ihrem Bestimmungen beinhaltet Ihre eigene Definition von „Preis“ also auch die EEG- und die KWK-Umlage. Das haben Ihre Juristen in Punkt 9.1 so festgehalten .

Außerdem heißt es zu den Umlagen:

9.2 Änderungen von Steuern und Abgaben
sowie der EEG- und KWK-Umlage
(1) Während der gesamten Vertragslaufzeit, also auch während
der Geltungsdauer der Netto-Preisgarantie, gelten in
Bezug auf Preisänderungen die nachfolgenden Absätze.
(2) Die EnBW ist berechtigt und verpflichtet, die Preise
im Umgang und zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens künftiger
Änderungen der EEG-Umlage anzupassen.
Dasselbe gilt bei künftigen Änderungen der KWK-Umlage.
Diese Preisänderungen werden erst nach brieflicher Mitteilung
an den Kunden wirksam, die von der EnBW
mindestens 6 Wochen vor der beabsichtigten Änderung vorgenommen
werden muss. Die EnBW wird zu den beabsichtigten
Änderungen zeitgleich mit der brieflichen Mitteilung
an den Kunden die Änderungen auf ihrer Internetseite
veröffentlichen. Der Vertrag kann im Falle einer Änderung
der Preise nach Maßgabe von Punkt 9.5 gekündigt werden.


Unter 9.5 ist beim Kündigungsrecht wieder von der „Änderung des Preises“ die Rede. Also nach Ihrer vorigen Definition aus 9.1 samt EEG- und KWK-Umlage. Nirgendwo ist hier die Rede vom Netto-Preis.

In den Ausnahmen vom Kündigungsrecht unter 9.2 [3] ist nur die Rede von der Umsatz- und der Stromsteuer. Nicht von den beiden Umlagen, um die es bei meinem Anliegen geht.

Bitte erklären Sie mir jetzt bitte, warum Sie mir dieses Kündigungsrecht zum 31. Dezember 2011 nach den Allgemeinen Bedingungen vom 1. August 2011 verweigern? Ich kündige ja nicht auf Grundlage der Netto-Preisgarantie, an die Sie sich ja tatsächlich halten, sondern auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen. Das habe ich aber von Anfang an auch so kommuniziert.
Freundliche Grüße

So eine Kündigung macht richtig Arbeit. Aber das war offenbar zu viel. Jetzt versteht Herr T. keinen Spaß mehr. Am 1. Dezember schreibt er, dass ich ihn jetzt in Ruhe lassen soll.

Guten Tag Herr Hechler,

vielen Dank Ihre Nachricht.

Rechtlich relevant ist nicht die Definition des Wortes „Preis“, sondern die gesonderte Preisanpassungsklausel. Diese ist auch deutlicher hervorgehoben und formuliert. Aus dem Grund ist nicht davon auszugehen, dass die Netto-Preisgarantie sich abstrahiert auf einen andere AGB-Klausel bezieht. Die Netto-Preisgarantie ist aus der Preisanpassungsklausel abzuleiten, nicht aus einer der Übrigen.

In Bezug auf Ihre aktuellen E-Mails beziehen wir uns voll inhaltlich auf unsere bisherigen Schreiben und haben der Korrespondenz nichts hinzuzufügen.

Freundliche Grüße nach Rottenburg-Ergenzingen

Ich bin in der Zwischenzeit nicht nach Ergenzingen gezogen. Habe auf die klare Ansage aber auch nicht mehr reagiert und hatte dafür am 2. Dezember 2012 eine wunderbare Idee für eine Geschichte, die ich auch der Presseabteilung der EnBW mitgeteilt hatte:

Sehr geehrte Damen und Herren des Presseteams,

ein kleiner Konflikt von mir mit Ihrem Unternehmen hat mich auf die Idee gebracht, etwas über das AGB-Gebahren bei verschiedenen Unternehmen zu machen. Es soll unter anderem um das Thema AGBs beim Online-Handel gehen, aber auch um die oft ungelesen akzeptierten AGBs z. B. von Stromverträgen.

Die Korrespondenz meines eigenen AGB-Streits finden Sie anbei. Er soll – weil er mich persönlich betrifft – nur in einem Kommentar verwertet werden.

Wichtig sind für mich deshalb nur noch folgende Fragen:
Wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrer Rechtsabteilung (welche Art von Jobs umfasst diese Zahl)?
Wenn ich sage, Sie legen sich die AGBs zu Ihrem Vorteil aus, was würden Sie erwidern?

Wichtig ist mir aber noch, dass Sie mir bestätigen, dass Sie die Auslegung von Herrn T. als Unternehmen unterstützen.

Die Anfrage eilt nicht – ich bin erst am Anfang meiner Recherchen.
Schon jetzt vielen Dank für Ihre Antwort.

Freundliche Grüße

Einige Zeit später kam diese Antwort – auf etwas dickerem Papier


Und noch eine Antwort der Pressestelle:

Sehr geehrter Herr Hechler,

die Kollegen in Karlsruhe haben Ihre Anfrage zum Thema AGB an mich als Pressesprecher des Vertriebs weitergeleitet. Ich gebe Ihnen gerne Auskunft und bitte zugleich um Entschuldigung für die lange Wartezeit.

Vermutlich haben sich Ihre Anfrage und das letzte Schreiben unseres Kundenservice überschnitten. Nach meiner Kenntnis haben die dortigen Kollegen inzwischen eingeräumt, dass ihre Interpretation der neuen AGB nicht korrekt war, und Sie entsprechend informiert. (Dies erfolgte, wohlgemerkt, bevor die Anfrage bei uns im Pressebereich behandelt wurde…) Die Hervorhebung – abgesehen von der Unterstreichung – ist von mir.

Bliebe aus meiner Sicht noch Ihre Frage nach Zahl und Art der Arbeitsverhältnisse im Rechtsbereich des Konzerns. Hierzu kann ich Ihnen mitteilen, dass dort derzeit rund 35 Rechtsanwältinnen und -anwälte beschäftigt sind, die die Bereiche Energiewirtschafts- und Kartellrecht, Gesellschaftsrecht, Mergers & Akquisitionen, Öffentliches Recht, Rechtliche Betreuung Netze, Forderungs- und Inkassomanagement, Grundstücksrecht, Versicherungen sowie arbeitsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen abdecken.

Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen.

Freundliche Grüße
i.V. Hans-Jörg Groscurth
Leiter Kommunikation | Pressesprecher

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