Praxistest von Car2Go in Stuttgart – Versuch macht kluch

Start von Car2Go in Stuttgart vor dem Neuen Schloss

Nicht mehr schön vor dem Neuen Schloss drapiert, sondern im ganzen Stadtgebiet verteilt sind jetzt die 300 Elektrosmart von Car2Go. Foto: Daimler

Seit 2009 bin ich Mitglied bei Car2Go – meine erste Fahrt hat trotzdem bis jetzt gedauert. Damals bei der Südwest Presse in Ulm hatte ich große Lust, im Versuchsstadium des Projekts mitzufahren. Geworden ist daraus nichts, unter anderem wegen des Amoklaufs in Winnenden und den Nachwirkungen in der Redaktion.

Im Februar 2013 war es jetzt endlich soweit, es ergab sich eine erste Gelegenheit für eine Fahrt in einem Elektrosmart in Stuttgart. Nachdem hier schon viel über Car2Go geschrieben wurde, soll eine Alltagsbewertung der Autominute per Minutenabrechnung nicht fehlen. Dass auch noch Schnee gefallen war und die Temperatur unter dem Gefrierpunkt lag, hat den Test besonders realitätsnah gemacht.

Ein Auto zu finden ist dank einer Anwendung für das Smartphone überhaupt kein Problem. Auch am frühen Morgen waren in Vaihingen genügend Fahrzeuge zu finden. Der Erstbeste Elektrosmart („Smart electric drive„) war an diesem Tag noch nicht bewegt worden – eine weiße Haube zierte das Fahrzeug. Die dicke Schneeschicht vom Kartenlesegerät zu wischen war das kleinste Problem. Doch kaum war die Tür geöffnet, lag eine satte Ladung Schnee auf dem Fahrersitz. Eine größere Winterausstattung war in dem Auto auch nicht zu finden. Nur ein simpler Dreieck-Kratzer war an Bord. Damit bekam ich kalte Finger und den Schnee gerade mal von den Fenstern weg – die Ladung auf dem Dach blieb liegen und wehte später den Hinterherfahrenden entgegen.

Nach Identifikation per Pin-Code hilft eine elektronische Stimme zum Beispiel das Zündschloss zu lokalisieren, das Smart-typisch neben dem Automatik-Wählhebel für Otto-Normal-Fahrer/innen nicht gleich zu finden ist. Kaum war die Zündung angeschaltet, und auf dem ziemlich langsam agierenden Navi die Zieladresse eingegeben, kam schon warme Luft aus den Düsen – wer einen Diesel hat, kann da nur neidisch werden. Das geht zwar auf die Reichweite, ist aber für Mietwagen und kurze Strecke weniger relevant als kalte Finger.

Flott fegt der Elektrosmart los. 50 Stundenkilometer sind von einem leichten Surren des Motors begleitet schnell erreicht. Wer das Gaspedal ganz durchdrückt wird wie vom Gummiband gezogen nach vorne katapultiert. Und das ohne brachialen Verbrenner-Lärm. Die fest installierte Öko-App beweist das recht schnell: Man kann sich an drei Bäumen Lorbeeren für Ökologisches fahren verdienen, einer der digitalen Bäume zeigt nur noch wenig grün, er analysiert das Beschleunigungsverhalten. Die Car2Go-Nutzer/innen scheinen Spaß am elektrischen Beschleunigen zu haben, jedenfalls waren bei beiden Smart kaum lobende Blätter zu sehen.

An der ersten Ampel zeigte sich der größte Schwachpunkt des smarten Stromers: Die Bremse ist so gefühllos, dass man meint, sie hätte überhaupt keine elektrische Unterstützung. Sie ist sehr hart und bedarf einer guten Muskulatur im rechten Bein. Die Verzögerung ist in Ordnung, den richtigen Druckpunkt dafür zu finden bedarf aber viel Übung. Das dafür notwendige Feingefühl mag sich bei einem eigenen Fahrzeug nach ein paar Tagen einstellen, bei Car2Go will man aber gar nicht so häufig Kunde sein, wie es dafür nötig wäre. Die nächsten fünf Ampeln reichten jedenfalls nicht aus.

Überhaupt wird die Wartezeit an Ampeln zu einer sehr negativen Erfahrung für Kurzzeitmieter/innen: Wer bei einer Phase einer langatmigen Ampelschaltung nicht mehr durchrutschen kann, sieht das Geld im Geiste durch die Finger rinnen. Das Kapitel Kosten ist bei einem Minutenpreis von 29 Cent auf den ersten Blick recht überschaubar. Bis aber der Schnee vom Dach ist, das Navi das Ziel kennt und man sich den Sitz eingestellt hat, vergehen auch ein paar Minuten. Vergleicht man diese Kosten aber mit einem eigenen Fahrzeug, relativieren sie sich wieder. Für einen eigenen Kleinwagen werden meist zwischen 30 und 40 Cent pro Kilometer fällig. Im Test waren es umgerechnet auf Kilometer etwa 66 Cent pro Kilometer. Für ein Elektroauto mit Dauerverfügbarkeit und kostenlosen Parkplätzen kann sich das noch halbwegs sehen lassen.

Für die Strecke von Vaihingen in die Stuttgarter Innenstadt werden im leichten morgendlichen Berufsverkehr so fast acht Euro fällig. Da wäre die Straßenbahn günstiger gewesen. Der Rückweg am Abend ist auch nicht viel günstiger. Hier schlug sich die Suche nach einer Ladestation negativ auf die Kostenbilanz nieder.

Da der Akku des Fahrzeugs für die Rückfahrt bereits unter 50 Prozent gefallen war, verspricht Car2Go einen Bonus von 15 Freiminuten, wenn man das Elektroauto an einer der Stromtankstellen mit frischem Saft versorgt. Der Umweg zu einer der Ladesäulen hatte sich aber nicht gelohnt. Nachdem am Vormittag das Ladekabel noch im Kofferraum gelegen hatte, war bei der zweiten Fahrt keines mehr zu finden.

Also wieder weg von der Ladestation zurück zum ein paar hundert Meter entfernten eigentlichen Ziel. Ein Anruf bei der Hotline löste das Rätsel: Das Ladekabel ist gut versteckt in der Klappe des Kofferraumes verstaut. Das passiert aber nur beim ersten Mal. Über die Reichweite muss man sich innerstädtischen Verkehr keine Sorgen machen – eine Restreichweite von 20 Kilometern treibt jedenfalls keine Schweißperlen auf die Stirn. Und wer viel fährt, kann ja zwischendurch das Auto tauschen.

Die meisten Schwächen des Elektrosmart teilt er mit anderen Kleinstwagen: Die Federung ist nur mittelprächtig und leise ist es im Auto auch nicht. Das liegt aber weniger am Motor, den man kaum hört, sondern mehr an den dicht beieinander und beim Fahrer liegenden Reifen, die Fahrgeräusche recht laut ins Innere weitergeben. Ein Nachteil von Car2Go ist das begrenzte Geschäftsgebiet. Es soll aber noch ausgebaut werden. Dann kann es auch mehr Strecken abdecken, auf denen zum Beispiel Abends mit ÖPNV nicht mehr viel anzufangen ist.

Mit mehr als 14 Euro für die zwei Fahrten hätte es zwar noch nicht für ein Taxi gereicht, günstig sieht aber doch anders aus. Immerhin war man mit Ökostrom klimafreundlich unterwegs. Für gelegentliche und vor allem spontane Einsätze lohnt sich Car2Go aber schon. Und wer Glück hat und weiß, wo das Ladekabel ist, kann sich über ein paar Freiminuten freuen. Wer es darauf anlegt, günstig zu fahren, kann auf dem Handy schon sehen, wie viel Strom bei den einzelnen Autos noch verfügbar ist – und sich ein Modell suchen, das bald betankt werden sollte.

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