Auf der Suche nach dem leichtesten E-Bike

Unbequemer Sattel, aber sensationell leicht: Das Remsdale "11.9" Foto: Hersteller

Unbequemer Sattel, aber sensationell leicht: Das Remsdale „11.9“ Foto: Hersteller

Das leichteste Pedelec am Ende der Suche nach dem Gewichtskönig war das Remsdale „eleven nine“, das wegen des Karbonrahmens satte 6000 Euro kostet und eine ziemlich extreme Schlankheitskur verpasst bekommen hat. Auf der i-Mobility-Messe in Stuttgart hat Ökoalltag sich auf die Suche nach einem besonders leichten Fahrrad mit Elektromotor gemacht. Und weil das leichteste nicht unbedingt das alltagstauglichste E-Bike ist, waren die verschiedenen Modelle auf dem Weg zum Leichtgewicht aufschlussreich. Und es zeigt sich, dass die großen Hersteller die Zielgruppe der normalen Fahrradfahrer, die gar nicht so viel Elektroschub brauchen, nicht so recht im Blick haben. Die Suche nach einem leichten Fahrrad ist eine Reise vom größten Fahrradhersteller der Welt zu einem der kleinsten.

Aber von Anfang an: Die Frage nach dem Gewicht eines E-Bikes ist auch eine Frage der Zielgruppe: Mit einem ordentlichen E-Bike um 25 Kilogramm lässt es sich zwar bequem fahren, aber nur im E-Bike-Modus. Wer als trainierter Radler auf der Ebene keine Unterstützung braucht oder schneller als 25 Stundenkilometer fahren will, hat es nicht leicht mit den Schwergewichten. Naja, wo große Lücken sind, hat der Markt meist etwas zu bieten, wenn man sucht. Oder? Es muss doch auch ein Modell für Radfahrer geben, die nur am Berg und vielleicht beim Beschleunigen etwas Unterstützung brauchen, sind wir überzeugt und machen uns auf die Suche.

Wie behäbig sich schwere E-Bikes ohne Motorunterstützung fahren, haben wir vor allem beim Test des Smart-E-Bikes erfahren müssen. Ein klassisches, aber recht leichtes E-Bike von Giant steht am Anfang der Suche. Die zahlreichen E-Bike-Hersteller haben einige solcher Modelle im Angebot. Das „Explore E+“ ist mit 23,9 Kilogramm kein typisches Schwergewicht, bricht aber auf der Waage auch keine Rekorde. Mit Motorunterstützung fährt es sich ganz gut. Es hat einen Yamaha-Mittelmotor. Das Konzept frisst im Dauerbetrieb quasi Ketten. Aber immerhin: Yamaha jault nicht so laut wie Bosch. Damit bewegen wir uns aber wieder aus die klassischen Analysen von E-Bikes zu. Heute geht es ja um das Fahren ohne Unterstützung. Und ohne Schub wirkt das Explore E+ immer noch träge. Die zu beschleunigende Masse ist einfach zu hoch, um ohne Hilfe sportlich im Verkehr mitschwimmen zu können. Mit Federgabel, Komfortdetails wie den anatomisch geformten Griffen und einer umfassenden Ausstattung spricht das Explore E+ aber eben nicht normale Radler an, sondern Einsteiger oder Wiedereinsteiger. Auf das Explore E+ steigt man nicht um, wenn man eh schon gerne und viel Fahrrad fährt. Wer das macht, sieht oft Details wie eine Federgabel für ein Pendlerrad schon eher kritisch.

Das Giant Quick E+ 25 ist ein halbwegs leichtes Modell vom größten Fahrradhersteller der Welt. Foto: Hersteller

Das Giant Quick E+ 25 ist ein halbwegs leichtes Modell vom größten Fahrradhersteller der Welt. Foto: Hersteller

Am Giant-Stand der Messe wird deshalb das „Quick-E+“ empfohlen. Es gibt nur eine Starrgabel und keinen normalen Gepäckträger. Taschen kann man aber an das geschickt gestaltete Schutzblech dranhängen. Schick und für Pendler soll das Quick E+ sein. Nur 19 Kilogramm soll es wiegen, heißt es. Das klingt richtig gut. Im Prospekt des Herstellers wird für dieses geringe Gewicht nicht geworben. Später stellt sich heraus, warum das nicht im Vordergrund steht: Laut Giant bringt es dann doch 22,8 Kilogramm auf die Waage. Neben der schicken Optik bietet es eine Gangschaltung mit zwei Kettenblättern am Tretlager und damit insgesamt 20 Gängen. Das ist viel für ein Pedelec. Mehr Gänge braucht kein Mensch. Das verspricht ausreichend Flexibilität bei Fahrten ohne Motor. Tatsächlich fährt sich das Rad auch ohne Unterstützung relativ kommod. Das Kilo weniger ist schon zu spüren. Aber ganz am Ziel sind wir damit noch nicht. Es muss doch leichter gehen.

Dass es gleich zehn Kilo leichter und damit um Welten besser geht, zeigt das Kleinstunternehmen Remsdale nur wenige Meter entfernt. Nach dem größten Fahrradhersteller der Welt darf nun eine kleine Manufaktur aus dem Remstal (daher auch der lautmalerische Name) zeigen, was machbar ist. 11,9 Kilogramm schafft das extremste Fahrrad. Dafür gibt es einen Karbonrahmen und einen harten Plastiksattel. Aber es gibt auch bezahlbare und alltagstauglichere Varianten. 12,8 Kilogramm wiegt zum Beispiel das „Urban Carbon Pedelec“. Es hat Licht, Schutzbleche und einen Gepäckträger und ist damit voll alltagstauglich. Das Gewicht liegt gleichauf mit nicht besonders gewichtsoptimierten Fahrrädern vom Händler um die Ecke. Und so fährt es sich auch. Entsprechend kräftig ist damit der Elektroschub, wenn man ihn nutzt. Tut man das nicht, fühlt es sich an wie ein normales Fahrrad. Genau das hatten wir gesucht.

Mit knapp 13 Kilogramm liegt das unauffällige Karbonrad von Remsdale trotz vollständiger Ausstattung und Elektromotor etwa auf dem Niveau von normalen Modellen ohne Elektromotor. Foto: Hersteller

Mit knapp 13 Kilogramm liegt das unauffällige Karbonrad von Remsdale trotz vollständiger Ausstattung und Elektromotor etwa auf dem Niveau von normalen Modellen ohne Elektromotor. Foto: Hersteller

Ein paar Nachteile gehen mit dem Modell aus der Werkstatt nebenan einher: Die Motorunterstützung ist beim langsamen Fahren kaum zu dosieren. Am Stadtbahngleis die Schranken zu umfahren, wird damit sehr schwierig, wenn der Motor an ist. Weil der Akku mit 310 Wattstunden zum Laden nicht herausgenommen werden kann, muss das ganze Fahrrad an die Steckdose. Eine Garage sollte man haben, auch wenn sich das Fahrrad für den städtischen Pendler zumindest vom Gewicht her in die Wohnung tragen lässt. Aber ein Fahrrad auf dem Flur muss auch nicht sein. Die Steuerelektronik steckt in einer sichtbaren Tasche am Rahmen. Da ist schon Luft nach oben. Aber Remsdale zeigt, was technisch möglich ist.

Und Remsdale hat auch noch etwas im Angebot, das den normalen Fahrradfahrer bestens bedient und den Geldbeutel nicht ganz so schwer strapaziert. Ein Modell mit knapp 17 Kilogramm liegt nur wenige Kilogramm über dem Standard-Modell aus dem Fahrradladen und hat eine komplette Ausstattung. Wenn die Langsam-Fahrt in der Stadt damit problemlos möglich wäre und die Batterie ohne Restfahrrad in die Wohnung kann, wären wir am Ziel. Denn ob es gleich ein Hightech-Renner aus Carbon sein muss, ist für die normalen Radler schon fraglich.

Was Remsdale zwischen dem exquisiten Modell und der Stangenware von Giant platziert, könnte eine Lücke füllen. Wer das neben Remsdale auch noch macht ist Freygeist. Auch hier gibt es eine extrem leichte Version mit 12 Kilogramm. Da fehlt es für Pendler noch ein bisschen an der Ausstattung. Auch der Preis ist mit 4000 Euro noch nicht tauglich für den Massenmarkt. Aber ein bisschen weniger Preis wäre bei ein paar Kilo mehr auch drin: Mit einem bezahlbaren 17-Kilogramm-Rad werden ganz andere Nutzer angesprochen. Nämlich ganz normale Fahrradfahrer, die nur ab und an etwas Unterstützung brauchen.

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